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Daniela Mulle

Diätologin & Ernährungswissenschafterin

Wenn Gluten nicht das Problem ist, ist glutenfrei nicht die Lösung!
© Nanna Moilanen

Wenn Gluten nicht das Problem ist, ist glutenfrei nicht die Lösung!

Paula kramte aus ihrem schwarzen Lederrucksack eine berstend volle orange Flügelmappe hervor, legte sie schwungvoll auf meinen Schreibtisch und schlug sie auf. “Alle meine Befunde und Ernährungsunterlagen” berichtete sie stolz. Zielstrebig fischte sie eine mehrseitige Liste heraus: “Das ist alles, worauf ich seit drei Monaten verzichte” erklärte sie “Rohes Gemüse, sämtliches Obst und alle histaminhaltigen Lebensmittel. Außerdem esse ich nur laktosefreie Milchprodukte und glutenfreie Lebensmittel. Sie seufzte tief, und ergänzte frustriert: “Ganz ehrlich: ich weiß nicht, wozu das alles, weil Blähbauch und Verstopfung hab’ ich trotzdem noch. Außerdem hab ich während der ganzen Zeit nicht mal zwei Kilo abgenommen! Ich hoffe, sie können mir weiterhelfen - ich weiß echt nicht mehr weiter.”

Bei regelmäßigen Bauchbeschwerden wird oft geraten, glutenhaltiges Brot, Gebäck, Nudeln, Couscous, Kuchen, Kekse und Co. vom Speiseplan zu verbannen. Denn ohne Gluten soll man sich gesünder, fitter, kraftvoller fühlen - und sogar leichter abnehmen. Glutenfrei-Diäten sind voll im Trend. Der Gewinner ist ganz klar die Lebensmittelindustrie, weil die teuren glutenfreien Spezialprodukten boomen.

Du musst nur dann glutenfrei essen, wenn du an einer diagnostizierten Zöliakie leidest.

Ein extrem wichtiger Grundsatz, aber lass’ uns die Sache etwas genauer anschauen.

Was ist Gluten überhaupt, und wann musst du es meiden?

Gluten kommt vom lateinischen Wort gluten für Leim. Es steht für eine Gruppe von Eiweißstoffen in Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Kamut, Einkorn und Hafer. Zusammen mit Wasser bildet sich Klebereiweiß, und das ist die Grundbedingung um flaumige Kuchen und luftiges Brot zu backen.

Bei Zöliakie-Erkrankten rufen bereits Mini-Mengen Gluten das Immunsystem auf den Plan: Die Dünndarmschleimhaut entzündet sich und stirbt nach und nach ab. Durch die immer kleiner werdende Oberfläche kann der Dünndarm irgendwann seinen Job Nährstoffe aufzunehmen nicht mehr machen. So fehlen dir dadurch lebenswichtige Nährstoffe. Oft entstehen dadurch Probleme wie Eisenmangel oder Knochenschwund (Osteoporose).

Bei Zöliakie ist die einzige Lösung lebenslang streng glutenfrei zu essen.

Sobald Gluten als Trigger wegfällt, wird die Dünndarmschleimhaut wieder gesund. Auch die Dünndarmoberfläche ist dann wieder normal, inklusive der typischen Einstülpungen - der Zotten und Krypten.

Glutenfreien Fertigprodukten fehlen aber leider oft die Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Ganz ähnlich wie glutenhaltigem Weißbrot und -gebäck, weißen Nudeln, Kuchen und Keksen aus Weißmehl.

Was kannst du also tun, um dich trotzdem mit diesen “Goodies” zu versorgen?

Meine vier Tipps für eine vollwertige glutenfreie Ernährung:

  1. Iss oft Pseudogetreide wie Hirse, Buchweizen, Vollkornreis, Mais, Quinoa oder Amaranth.
  2. Mache Gemüse, Salat und/oder Obst zu einem fixen Bestandteil deines Essens.
  3. Greife immer mal wieder zu Nüssen, Kernen und Samen.
  4. Baue auch Kichererbsen, Linsen, Erbsen, etc. immer wieder in dein Essen ein, wenn du sie gut verträgst.

Zöliakie: Wie kannst du sicher sein?

Für eine korrekte Diagnose ist es extrem wichtig, dass du zunächst NICHT auf Gluten verzichtest! Dein Facharzt für Gastroenterologie kann erst dann auf Spurensuche gehen:

  1. Zuerst sucht er in deinem Blut nach speziellen Auto-Antikörpern: Transglutaminase-IgA-, Endomysium-IgA- und Gliadin-IgA-Antikörper. Das sind die Übeltäter, die deine Dünndarmschleimhaut entzünden und damit auf Dauer ruinieren.
  2. Falls er diese Eiweißstoffe in deinem Blut gefunden hat, macht er noch einen zweiten Check: Er nimmt Gewebeproben aus deinem oberen Dünndarm. Mit diesen Proben kann er feststellen, ob deine Dünndarmschleimhaut wirklich kaputt ist, und wie schwer der Schaden ist.

Glutenfrei geht’s dir zwar besser, aber es nervt?

Vielleicht hast du zwar keine Zöliakie, trotzdem geht es dir deutlich besser, wenn du auf Gluten verzichtest? Dann ist nicht Gluten der Übeltäter: was dir nicht gut tut sind wahrscheinlich Fruktane.

Fruktane sind unterschiedlich lange Kohlenhydrat-Ketten. Pflanzen wie z.B. Getreide (Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste) aber auch Zwiebel und Knoblauch nützen sie als Energiespeicher.

Fruktane sind für uns Ballaststoffe: Sie werden von deinem Dünndarm nicht aufgenommen und wandern weiter in deinen Dickdarm. Dort freut sich dein „Darmbakterien-Zoo“ darüber. Beim Verspeisen der Fruktane bilden manche Darmbakterien Stoffe, die Blähungen, Bauchweh, Durchfall und andere Beschwerden verursachen können. Je mehr Fruktane du isst, desto schlimmer die Beschwerden.

Die gute Nachricht: Du brauchst keinen Bogen um Gluten zu machen.

Glutenfreie Produkte sind oft mehr als doppelt so teuer.

Du schränkst damit deine Speisen- und Lebensmittelauswahl unnötig ein.

Außerdem: Wenn Gluten nicht das Problem ist, ist glutenfrei nicht die Lösung!

Finde stattdessen heraus, wieviel und welche Fruktane du verträgst.

Ein Überblick, wo Fruktane vorkommen:

  • Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste: Brot, Gebäck, Kuchen, Kekse, Pasta, Couscous, Bulgur,…
  • Knoblauch, Zwiebel, Schalotten, weiße Teile von Lauch und Frühlingszwiebel
  • Rosinen, getrocknete Datteln, Dörrpflaumen, Feigen und Mangos
  • Wassermelonen, Nektarinen, Kaki
  • Tahini (Sesampaste)
  • Brokkoli & Grünkohl in Mengen über 50 g, Kohlsprossen, Pilze, Spargel, Artischocken
  • Fenchel und Kamille als Tee oder Gewürz, Fenchelknolle in Mengen über 50 g

Zuerst mal die o.a. Lebensmittel weglassen, bis es dir wieder gut geht.

Einige fruktanfreie Alternativen:

  • Zwiebel: grüne Teile von Frühlingszwiebeln oder Lauch und Schnittlauch.
  • Knoblauch: gekauftes oder selbstgemachtes Knoblauchöl.
  • Getreide: Buchweizen, Hirse, Mais, Reis, Hafer, Quinoa, Amaranth, Kartoffeln, außerdem sind oft kleine Mengen Dinkelsauerteigbrot, Dinkelpasta oder Dinkelmehl gut verträglich.

Starte mit dem Testen, sobald du keine Beschwerden mehr hast:

Probiere ein Lebensmittel nach dem anderen an drei Tagen hintereinander aus. Dabei steigerst du täglich die Menge. Wenn du Beschwerden bekommst oder eine für dich sinnvolle Menge erreichst ist Schluß. Am Ende weißt du genau, wieviel du wovon verträgst und was gar nicht geht.

Zum Beispiel:

  1. Tag: 1/2 Scheibe Weizenbrot
  2. Tag: 1 Scheibe Weizenbrot
  3. Tag: 1 1/2 Scheiben Weizenbrot

Baue alles was du verträgst wieder in deine Ernährung ein.

Versuche außerdem, dein Essen zu entstressen: Nimm dir genügend Zeit zum Essen, kaue sorgfältig und höre in deinen Körper hinein. Frage dich immer wieder:

  • Was tut mir gut, was eher nicht?
  • Welche Mengen vertrage ich und in welchen Kombinationen?

Für Paula hat durch unsere Zusammenarbeit ein neues Leben begonnen: Zöliakie und Milchzuckerunverträglichkeit konnten wir rasch ausschließen, und auch Getreide-Fruktane sind für sie kein Thema. Als ihre wahren Übeltäter hat Paula mit meiner Hilfe Fruktane aus Zwiebel und Knoblauch identifiziert. Kleinere Mengen davon, wie etwa in Suppenwürze verträgt sie problemlos. Nur vor Zwiebelrostbraten, Tsatsiki und Zwiebelsuppe macht sie einen großen Bogen. Aber das ist völlig okay, denn dafür ist der Besuch bei ihrem Lieblingsitaliener wieder ein fixer Bestandteil ihres Lebens.

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